Wildbienenförderprojekt Reussspitz (ZH, ZG, AG)

Projektleitung: André Rey
Projektmitarbeit: Ayaka Gütlin

Ausgangslage
Das Feuchtgebiet „Reussspitz“ ist eine Moorlandschaft von nationaler Bedeutung, welche sich über die Kantone Zug, Aargau und Zürich erstreckt. Hier kommen die beiden auf der Alpennordseite ausgesprochen seltenen Flachmoorspezialisten Skabiosen-Sandbiene (Andrena marginata/EN) und Blutweiderich-Langhornbiene (Tetralonia salicariae/VU) noch in kleinen Beständen vor. Sowohl die Skabiosen-Sandbiene (ZG, ZH), als auch die Blutweiderich-Sägehornbiene (AG) sind auf der Liste der national prioritären Arten verzeichnet. Ohne gezielte Fördermassnahmen muss mit dem baldigen Aussterben dieser beiden Arten im Gebiet gerechnet werden.

Foto: Das Weibchen der Blutweiderich-Langhornbiene (Tetralonia salicariae) an seiner arttypischen Pollenquelle, dem Blutweiderich (Foto: © André Rey).

Das Problem ist vermutlich, dass die Nistplätze der beiden Arten – offene Sandböden an trockenen Stellen – generell rar sind in der Nähe von Feuchtgebieten und im Untersuchungsgebiet mit grosser Wahrscheinlichkeit zu weit von den wichtigsten Pollenquellen entfernt liegen. Beide Arten nutzen Pollenpflanzen, welche in Feuchtgebieten vorkommen. Das Vorkommen solcher anspruchsvoller Wildbienenarten zeigt eine gute Vernetzung von Feucht- und Trockengebieten an (siehe: Naturschutz und Landschaftspflege Baden- Württemberg Band 79:„Ökologische Wechselbeziehungen zwischen trockenen Weinbergen und Feuchtgebieten am Beispiel der Blutweiderich-Langhornbiene (Tetraloniella salicariae)“ von Reinhold Treiber).

Projektziel
Das Ziel des Projektes ist es, den Fortbestand der beiden Zielarten im gesamten Gebiet Reussspitz durch Aufwertungsmassnahmen langfristig zu sichern und ihre Ausbreitung auf alle drei Kantone sowie in der Umgebung des Reussspitz zu ermöglichen.

Foto: Das Weibchen der auf Skabiosen spezialisierten Skabiosen-Sandbiene (Andrena marginata) auf Teufelsabbiss, einer ihrer obligatorischen Pollenquellen (Foto: © André Rey).

Umsetzungen und Resultate 2024
Als Grundlage für die Massnahmenplanung analysierte das Projektteam das Reussspitz-Gebiet im Sommer 2024 mittels intensiver Feldbeobachtungen. Dabei sollten Nistplätze wie auch Pollenquellen der beiden Arten festgestallt werden. Ebenso sollte eine erste Einschätzung der Populationsgrössen beider Arten im Untersuchungsgebiet vorgenommen werden.

Populationsgrösse und Verbreitung der Zielarten
Von der Skabiosen-Sandbiene konnten im Zuger Teil in einem Gebiet von ca. 20 ha insgesamt 24 Weibchen und 5 Männchen nachgewiesen werden, wobei kein Individuum weiter als 350 m vom ebenfalls entdeckten Brutplatz festgestellt wurde.
Von der Blutweiderich-Langhornbiene wurden 21 Weibchen und 15 Männchen (jeweils gleichzeitig am Brutplatz) auf einer Fläche von mehr als 1 km2 beobachtet. Die Weibchen wurden fast ausnahmslos am Brutplatz beobachtet, nur einzelne Individuen konnten auch an den Pollenquellen gesichtet werden. Zudem konnte die Blutweiderich-Langhornbiene auch auf der Zürcher Seite mit einem Männchen und auf der Aargauer Seite mit 3 Männchen nachgewiesen werden – für beide letztgenannten Kantone handelt es sich dabei um Erstnachweise dieser national prioritären Art!
Auf Basis der bisherigen Erkenntisse schätzen wir die Populationsgrösse der Blutweiderich-Langhornbiene auf etwa 50 Individuen ein und jene der Skabiosen-Sandbiene auf etwa 100 Individuen.
Als besonders erfreulich erachten wir den Umstand, dass am Nistplatz von Andrena marginata auch die Silberhaarige Wespenbiene (Nomada argentata/EN) festgestellt werden konnte. Sie ist der gefährdete Kuckuck der Sandbiene, war im Reussspitzgebiet seit über 20 Jahren verschollen und wird von den Aufwertungsmassnahmen für ihren Wirt ebenfalls profitieren.

Nistplätze
Um die Nistplätze der beiden Arten zu finden, wurden im Sommer 2024 zwei Experimente durchgeführt.
1. Im Juni wurden in der Umgebung der vermuteten Nistplätzen auf dem sandigen Reussdamm versuchsweise an zwei Stellen je drei Flächen à 50 x 50 cm so abgeschürft, dass offene Sandflächen ohne jeden Bewuchs entstanden.

Foto: Abgeschälte Sandflächen sollen den beiden Zielarten als Nistplatz dienen (Foto: © André Rey).

2. Zusätzlich wurden als Lockmittel für die Blutweiderich-Langhornbiene im selben Abschnitt auf einer Strecke von knapp einem Kilometer an fünf Stellen jeweils Töpfe mit je 20 blühenden Blutweiderichpflanzen aufgestellt.

Foto: Einer von fünf Patches mit 20 blühenden Blutweiderichpflanzen (Foto: © André Rey).


An den Schürfflächen konnten während der ganzen Untersuchungsperiode keine der beiden Zielarten beobachtet werden. Dafür traten an zwei Stellen nistende Bienenwolf-Weibchen (Philanthus triangulum) auf, einer Wespe also, die sich als Prädator auf Honigbienen spezialisiert hat. Somit scheinen offene Sandflächen, die dem Bienenwolf bekanntermassen behagen, den Bedürfnissen unserer beiden Zielarten weniger zu entsprechen.
Die Blutweiderich-Topfpflanzen wurden mehrmals wöchentlich nach der Blutweiderich-Langhornbiene abgesucht. Bereits am ersten Tag des Experiments konnten Männchen der Blutweiderich-Langhornbiene an den ausgebrachten Topfpflanzen festgestellt werden. Dabei fanden sich an den beiden nördlichsten Blutweiderich-Patches stets am meisten Individuen ein. An einem regnerischen Tag konnten am nördlichsten der fünf Standorte gleichzeitig acht schlafende Männchen beobachtet werden. So erhielt das Projektteam die entscheidenden Hinweise, die zur Entdeckung von Brutplätzen beider Arten führten.
Alle bisher gefundenen Nistplätze liegen auf einem Abschnitt von etwa 300 Metern am nördlichen Ende des sandigen Hochwasserdamms, welcher Mitte Juli gemäht wurde und somit zur Flugzeit der Zielarten kurzrasig war. Während die Nistplätze der Blutweiderich-Langhornbiene zwischen dem Grasbewuchs kleine offene, sandige Stellen aufweisen, war jener der Skabiosen-Sandbiene in den lückigen Stellen zwischen den Grashorsten von einer etwa 5 cm dicken Moosschicht bedeckt.

Foto: Der Nistplatz von Tetralonia salicariae: Die Weibchen nisten in den freien Sandflächen zwischen den Grasbüscheln (Foto: © André Rey).

Foto: Der Nistplatz von Andrena marginata: In den Lücken zwischen den Grasbüscheln wächst eine dicke Moosschicht (Foto: © André Rey).

Aufgrund unserer bisherigen Beobachtungen vermuten wir, dass neben dem sandigen Untergrund auch die umgebende Vegetationshöhe zur Flugzeit eine wichtige Rolle spielt und somit der Schnittzeitpunkt einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität der Brutplätze haben könnte.

Pollenquellen
Während der Feldaufnahmen wurden wichtige Pollenquellen der beiden Zielarten erfasst. In unmittelbarer Nähe des Brutplatzes der Skabiosen-Sandbiene sind gute Teufelsabbiss-Bestände vorhanden, während grössere Blutweiderich-Bestände erst ab einer Entfernung von etwa 700 m von den festgestellten Brutplätzen der Blutweiderich-Langhornbiene entdeckt wurden. Näher an den Brutplätzen gelegene Riedteile wiesen Blutweiderich nur in geringen Dichten auf.

Potenzialflächen
Als Grundlage für die Massnahmenplanung der kommenden Jahre wurden im Reussspitzgebiet mehrere Flächen mit Aufwertungspotenzial erfasst.

Sofortmassnahme
Bienen fliegen nur so weit, wie unbedingt nötig, um an den benötigten Pollen zu gelangen. Als Sofortmassnahme für die Förderung der Blutweiderich-Langhornbiene wurden daher die 100 Blutweiderich-Topfpflanzen, welche für das Lock-Experiment genutzt worden waren, nahe der beiden festgestellten Nistplätze fix ausgepflanzt. Damit sollten die bisher langen Sammelflüge der Weibchen mindestens teilweise verkürzt werden.

Foto: Die Lock-Planzen des Blutweiderichs sorgen unweit der Nistplätze fest verpflanzt als Sofortmassnahme für kürzere (effizientere) Sammelflüge der Langhornbienen-Weibchen (Foto: © André Rey).

Finanzierung
Dieses Projekt wird von den Kantonen Zürich, Zug und Aargau finanziell unterstützt.